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29.09.2018
Kleiner Bruder mit großer Strahlkraft
Am Sonnabend, 29. September 2018, wurde das Schaudepot eröffnet. Noch sind die Räume leer. Doch schon bald werden im Erdgeschoss Plastiken zu sehen sein, an den Wänden Gemälde und Grafiken hängen. Innerhalb der nächsten Monate wird der gesamte Sammlungsbestand aus der Kunsthalle Rostock in das Schaudepot umziehen. Der Boden glänzt weiß, reflektiert die ebenfalls weißen Wände. Der ganze Raum wirkt unberührt. Nichts soll künftig vom Betrachten der Kunst ablenken. Es ist einer der letzten Momente, in denen dieser neue architektonische Schatz der Stadt ohne Inhalt zu sehen ist. Einer der letzten Momente, bevor das Schaudepot die große Bühne der Museumswelt betritt.
Beinahe 50 Jahre nach der Eröffnung der Rostocker Kunsthalle bekommt diese einen kleinen Bruder. „Die Kulturszene erwartet das Schaudepot mit viel Enthusiasmus, sagt Dr. Michaela Selling, Leiterin des Amtes für Kultur, Denkmalpflege und Museen. Erfüllt der Neubau doch mehrere Aufgaben zugleich: Tausende Kunstwerke werde künftig hier eingelagert sein, Wissenschaftler mit und an ihnen arbeiten, Besucher einen Blick auf die Schätze werfen können und Künstler einen einzigartigen Ort für Ausstellungen hinzugewinnen.
Die Überlegungen eines Depot-Baus bestehen in der Hanse- und Universitätsstadt seit etwa einem halben Jahrhundert: Als Architekt Hans Fleischhauer seine Pläne für die Kunsthalle in den 1960er Jahren konkretisierte, hatte er optional ein Gebäude für die Lagerung von Gemälden, Grafiken und Plastiken geplant. Doch seine Ideen verschwanden in der Schublade - bis jetzt, bis zum 800. Geburtstag der Stadt. „Drei besondere Bauvorhaben prägen unser Jubiläumsjahr: Nach der Sanierung der Stadthalle und der Einweihung des Polariums können wir nun die Fertigstellung des Schaudepots feiern, sagt Rostocks Oberbürgermeister Roland Methling. „Mich erfüllt es mit Freude und Stolz, dass durch das Schaudepot Geschichte erhalten und sichtbar wird„, ergänzt er. Der Kunstbestand in Rostock ist in den vergangenen Jahrzehnten durch Schenkungen und Ankäufe beträchtlich gewachsen, der Platz für die Lagerung erschöpft. „Die Werke in der Sammlung geben Antworten auf die Fragen, wer wir sind und woher wir kommen„, betont Dr. Michaela Selling und verdeutlicht: „Es gehört zu unseren Aufgaben, unser kulturelles Erbe zu schützen und an kommende Generationen weiterzugeben.„
Schaudepot-Architekt Maik Buttler hatte Hans Fleischhauer noch persönlich kennengelernt, arbeitete sogar mit ihm zusammen. Für seine Visualisierungen studierte Buttler Fleischhauers Original-Skizzen. „Die beiden Gebäude, Kunsthalle und Depot, waren immer ein und derselbe Entwurf, auch wenn zunächst nur die Kunsthalle realisiert wurde„, bedeutet Maik Buttler und vergleicht Fleischhauers Entwürfe mit einem wertvollen, beinahe archäologischen Fund. Für das Schaudepot wurden die Maße aus den Plänen übernommen, das Gebäude ist kleiner und niedriger als die Kunsthalle. Dennoch bilden beide Häuser ein Ensemble, sagt Buttler. „Sie ergänzen sich, sollen aber auch ihre Eigenständigkeit bewahren und dem jeweils anderen Baukörper Respekt zollen„, beschreibt er. Über einen gläsernen Gang werden beide Gebäude miteinander verbunden. „Die Kunsthalle und das Schaudepot gehören zusammen. Sie stammen aber aus unterschiedlichen Zeiten. Diesen Bezug dürfen wir nicht übergehen„, verdeutlicht der Architekt.
Der Neubau wurde in eineinhalb Jahren realisiert. Dass die Ideen von damals überhaupt umgesetzt werden konnten, ist dem Engagement vom Eigenbetrieb Kommunale Objektbewirtschaftung und -entwicklung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock, kurz KOE, zu verdanken. 2015 meldete der Immobiliendienstleister im Auftrag der Hanse- und Universitätsstadt Rostock die Sanierung und Erweiterung der Kunsthalle um ein Depot für das Bundes-Förderprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ an. „Auf Empfehlung der Landesregierung haben wir uns darauf konzentriert, den Depot-Gedanken zu optimieren und daraus ein wirklich spannendes Vorhaben zu entwickeln. Reine Depots gibt es in Deutschland einige, ein Schaudepot, das auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist, ist dagegen ganz besonders. Das hat den Bund letztlich überzeugt„, erklärt KOE-Betriebsleiterin Sigrid Hecht. Vier Millionen Euro Förderung sind in das Fünf-Millionen-Euro-Projekt geflossen - vier Millionen Euro, die zur Förderung der Kultur nach Rostock geholt werden konnten.
Das Schaudepot erfüllt höchste technische Standards. Konstante klimatische Bedingungen im gesamten Gebäude ermöglichen die ideale Lagerung und Präsentation wertvoller Kunst. Auch die Gestaltung der Fassade leitet sich vom Nutzungskonzept des Gebäudes ab: Als Material wurde Glas gewählt, witterungsbeständig und ein Spiegel der Umgebung, der Wolken, der Kunsthalle, des Parks. In der Dunkelheit lassen installierte LED-Lichtleisten den Neubau von innen heraus leuchten, sodass es selbst zu einem Ausstellungsobjekt wird. „Wir zeigen mit dem Schaudepot, was unser Anspruch an ein Gebäude im Jahr 2018 ist. Während der Bauphase wurde uns immer wieder bewusst, wie zukunftsweisend Hans Fleischhauer damals gedacht hat. Ich wünsche mir, dass spätere Generationen so auch einmal über uns denken werden„, sagt Sigrid Hecht.
Kunsthalle und Schaudepot, Hamburger-Str. 40, 18069 Rostock
Projekt „Erweiterung Kunsthalle Rostock um ein Schaudepot“
Die Kunsthalle Rostock bekommt Zuwachs: Entsprechend der Ursprungs-Pläne für den Museumsbau wird das Gebäude um ein Schaudepot erweitert. In dem hochmodernen Neubau wird künftig der Sammlungsbestand gelagert. Zeitgleich sind Ausstellungen möglich.
Bauzeit: | 2016 bis 2018 |