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17.04.2025
Rathauserweiterung: Seltene Funde und Beginn des Rohbaus

Seit 2023 war ein Team der Firma Archäologie in Mecklenburg-Vorpommern (AIM-V) unter der Leitung von Dr. Jörg Ansorge und Renate Samariter auf der Großbaustelle aktiv. Ihre Funde gewähren Einblicke in die Baugeschichte und das Alltagsleben im mittelalterlichen Rostock.
Im Bereich des künftigen Hauses C am Neuen Markt wurden seit Februar 2024 mit Unterbrechungen der Untergrund rund um die ehemalige Straße An der Hege sowie die Vorkeller des historischen Gebäudes Am Schilde 1-2 untersucht. Das einst prägende Doppelgiebelhaus wurde 1942 zerstört. In den 1930er Jahren war es von der Stadt nach einem Wettbewerb vom Architekten Adolf Friedrich Lorenz saniert worden und galt als beliebtes Fotomotiv.
Die Ausgrabungen brachten mehrere übereinanderliegende Bauwerke zum Vorschein:
● Ein Feldsteinfundament aus der Mitte des 13. Jahrhunderts,
● einen mittelalterlichen Keller mit Formsteinen des Typs Viertelstab an den Hausecken und Kellereingängen
● und darüber die späteren Giebelhäuser Am Schilde 1-2, deren Keller mit Kriegsschutt verfüllt waren.
Eine überraschende Erkenntnis: Die Fassade war ursprünglich nicht für ein Doppelgiebelhaus gedacht. Denn der Giebel zeigte gar nicht zum Platz Am Schilde, sondern war um 90 Grad gedreht – vermutlich in Richtung der Straßen An der Hege oder Ortsund. „Das Gebäude wurde offenbar erst ab etwa 1400 vom Traufenhaus zum Giebelhaus umgebaut“, nimmt Dr. Ansorge an.
Im Herbst 2024 wurden mittelalterliche Latrinen im südlichen Verbaubereich der Baugrube und im Hangbereich dokumentiert. Weitere spannende Befunde folgten ab November 2024, darunter eine große, aus Ziegeln gemauerte Zisterne mit einem Durchmesser von drei Metern. Trotz ihrer Größe blieb der Fundanfall gering. „Wir haben in die Verfüllung reingeguckt, aber so gut wie nichts gefunden“, so Dr. Ansorge. Historische Ansichten zeigten dort einst einen Pumpenobelisk, der aber vermutlich um 1860 bis 1880 außer Betrieb genommen wurde. Ein gezimmerter Holzfußboden aus Kiefer datiert die Errichtung der Anlage an das Ende des 18. Jahrhunderts.
Unter dem vielfach umgebauten Haus Am Schilde 3 (Ortsund) fanden sich zudem zwei Holzkeller aus dem 13. Jahrhundert.
Besonders spannend war die Entdeckung einer großen runden Grube neben der Zisterne. Dort entdeckten die Archäologen mehrere flandrische Tuchplomben aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Sie stammen u.a. aus Gent und Tournai. Das Stück aus Gent schätzt Dr. Ansorge sogar als Unikat ein. Diese Funde sind deutliche Hinweise auf den Seehandel zwischen Rostock und den großen Handelszentren wie Brügge. Belege für den Tuchhandel in Rostock hatte es vorher schon gegeben.
Am allerletzten Grabungstag stellte das Team schließlich fest, dass die Grube ein tiefer Holzschacht war – vermutlich als Brunnen angelegt, jedoch nie genutzt, da die Wasserader schon bald versiegte. Stattdessen war der Schacht mit humoserer Erde verfüllt, jedoch nicht als Latrine genutzt. Zwischen Tonscherben und kleineren Bernsteinsplittern kam plötzlich eine geschliffene Bernsteinperle zum Vorschein. „Dann ging es Schlag auf Schlag“, berichtet Dr. Ansorge. „Wir fanden facettierte Perlen und weitere halbfertige Produkte. Es gab deutliche Spuren von Bearbeitung – und damit Hinweise auf eine lokale Verarbeitung von Bernstein in Rostock in der Zeit um 1260 bis 1280, offensichtlich von lokalen Strandfunden.“ Diese schätzt der Fachmann als „sehr selten“ ein.
„Das war das i-Tüpfelchen“, so Dr. Ansorge. „So einen schönen Fund am letzten Tag einer Grabung hat man nicht oft.“ Bernsteinperlen wurden seinerzeit sehr oft für die Herstellung von Rosenkränzen genutzt.
Die Archäologen verbringen die kommenden Wochen mit der abschließenden Inventarisierung ihrer Funde. Die geborgenen Stücke werden erfasst und gegebenenfalls dokumentiert, bevor sie im Magazin des Landesamtes für Kultur- und Denkmalpflege eingelagert werden. So können sie vielleicht später einmal museal präsentiert werden.
Die große Baugrube für den Verwaltungsbau (Haus D) an der Kleinen Wasserstraße steht vor ihrer Fertigstellung. Hier wird in dieser Woche noch eine ca. 0,5 m dicke Schicht Erdreich abgetragen und eine Schutzfolie verlegt. Sie sorgt dafür, dass der Baugrund bei Nässe nicht aufweicht und die Tragfähigkeit erhalten bleibt.
Zum anschließenden Beginn des Rohbaus wird zuerst ein sogenannter Ringerder im Bereich der Fundamentsohle verlegt und eine Sauberkeitsschicht für die Fundamentplatte gegossen. Dies geschieht in fünf zeitlichen Abschnitten durch das Auftragen von Magerbeton der Betonklasse C8/10.
In den kommenden Wochen und Monaten wird die Baustelle deutlich ihr Gesicht verändern.
Rathauskomplex, Neuer Markt 1, 18055 Rostock
Projekt „Rathauserweiterung“
Mit der Erweiterung des Rostocker Rathauskomplexes um zwei Neubauten wird der Verwaltungsstandort am Neuen Markt gestärkt. Flexible Raumkonzepte schaffen moderne Arbeitsbedingungen, die zentrale Struktur erleichtert Behördengänge.
Bauzeit: | 2023 bis vsl. 2027 |